Berlin, Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein - diesen vier Ländern droht die Haushaltsnotlage, wenn nicht sofort etwas geschieht. Soweit die Stellungnahme von Finanzstaatssektretär Werner Gatzer, der gemeinsam mit dem bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) dem Stabilitätsrat vorsteht. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik müssen somit Länder durch die Regierung in Berlin an die Kandare genommen werden. Diese Meldung straft die Wirtschaftsoptimisten Lügen, platzt sie doch mitten in die positiven Schlagzeilen, dass es bergauf geht und sich Bundesfinanzminister Schäuble in den nächsten Jahren über Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe freuen kann. Die Aussagen sind das Ergebnis der Untersuchungen eines Evaluationsausschusses, der dieser Tage seine Arbeit vorgelegt hat. Dem Ausschuss gehörten Vertreter des Bundesfinanzministeriums ebenso an wie solche aus den Ländern Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Dabei wurde auf das Überschreiten von gewissen Schwellenwerten bei Einnahmen und Ausgaben im Verhältnis zum Aufbau neuer Schulden hingewiesen. Der Bericht wurde dem Stabilitätsrat vorgelegt. Dieser hat nun über die weitere Vorgehensweise zu entscheiden. Er setzt sich aus den Finanzministern des Bundes und der Länder sowie dem Bundeswirtschaftsminister zusammen. Und dieser exklusive Finanzausschuss hat unter allen Konsequenzen den Rotstift verordnet. So muss ein Fünf-Jahres-Sanierungsplan durch die Länder vorgelegt werden. Anstehende Projekte werden verschoben oder verkleinert. Der Bürger wird dies vornehmlich beim Strassenbau und der -sanierung bemerken. Die getätigten Massnahmen werden auch halbjährlich durch den Rat kontrolliert. Kam diese Entscheidung zwar nicht überraschend, so stellt sie doch ein Novum in der Geschichte dar, da hierdurch in die ansonsten bestehende Finanzhoheit der Länder eingegriffen wird. Der Stabilitätsrat wurde als Folge der Föderalismusreform bzw. der im Grundgesetz verankerten "Schuldenbremse" eingerichtet, seit dem Frühjahr 2010 überwacht er die Haushalte anhand von vier Kriterien: Das um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Haushaltsdefizit, die Kreditfinanzierungsquote, das Verhältnis von Zinsausgaben zu Steuereinnahmen und den Gesamtschuldenstand. Ihm kommt eine entscheidende Rolle bei der Sanierung der leeren Staats- und Länderkassen zu. Bereits im Oktober wurde eine Überprüfung der betroffenen Länder angeordnet. Von 2020 weg darf keines der deutschen Bundesländer in normalen Zeiten mehr Schulden produzieren, ein wahrhaft hehres Ziel!!! Deshalb erhalten die jetzt in die Kritik geratenen vier Bundesländer - ebenso wie Sachsen-Anhalt Zuweisungen aus dem Konsolidierungsfonds. Bis 2019 werden jährlich nicht weniger als 800 Millionen Euro ausgeschüttet. Dadurch soll eine ähnliche Situation wie bei den Euro-Schuldenstaaten verhindert werden. Die Länder zeigen sich einsichtig und werden sich diesem Konsolidierungskurs beugen. So sind die ersten Spar-Massnahmen bereits angelaufen. Doch warnen die betroffenen Finanzminister unisono vor einer Steuersenkung. Auch wenn sich zwischenzeitlich die Wirtschaft wieder auf dem Kurs von vor der Krise befindet, ist dies noch nicht bei den Staatskassen angelangt. Deshalb gebe es auch keinen Anlass, die Einnahmesituation der Länder zu schmälern, heisst es aus Berlin. Die erste detaillierte Stellungnahme kommt vom saarländischen Finanzminister Peter Jacoby (CDU). Schon vor Jahren habe das Bundesverfassungsgericht auf eine solche bevorstehende Notlage des Landes aufmerksam gemacht. Die Sparmassnahmen auf der Ausgabenseite sind bereits in vollem Gange - sie wurden auch im Evaluationsbericht lobend hervorgehoben. So sollen heuer um 100 Millionen weniger als noch im letzten Jahr ausgegeben werden. Das Saarland erhält aus dem Konsolidierungsfonds 250 Millionen Euro per anno. Berlin will das strukturelle Haushaltsdefizit von 2 Milliarden in zehn gleich grossen Schritten pro Jahr abbauen (insgesamt beläuft sich der Schuldenstand der Bundeshauptstadt auf 63 Milliarden); auch in Schleswig-Holstein sollen spürbare Einsparungen getätigt werden. Hier geht es um ein Minus von 1,32 Milliarden Euro im strukturellen Haushaltsdefizit (insgesamt sind es 26,5 Milliarden - alleine die Zinszahlungen belaufen sich heuer auf 959 Mio €). Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 18 KW 22 | 01.06.2011 |
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